Langnasenland - Eine Reise zum DUTRA-Treffen nach Ungarn

 

Während die DUTRA-Schlepper des ungarischen Herstellers „Roter Stern“ aus Budapest in den 1960er Jahren zum Alltagsbild auf den Feldern der DDR gehörten, so sank ihr Stern schon wieder ab dem Jahre 1970 mit Erscheinen der stärkeren Typen ZT 300 und K-700. Um den Verkauf der ZT-Reihe aus DDR-Fertigung anzukurbeln lockte man zudem die Betriebe mit zwei anzuliefernden ZT 300 für einen verschrotteten DUTRA. Und so kam es, dass diese Reihe so schnell wie sie aufkam auch wieder verschwand, und so nur sehr wenige Exemplare bis in die heutige Zeit überlebt haben. Dennoch kann man die schönen blauen Schlepper hin und wieder auf Traktor-Treffen bestaunen und mit etwas Glück beim Schaupflügen auch dem Klang des 6-Zylinder Csepel-Motors beiwohnen. Seit einem halben Jahr kenne ich aus einem Landmaschinenforum den Ungar Jozsef Betz. Er bemüht sich mit einigen anderen Schlepperfreunden in seinem Heimatland um die Erhaltung von DUTRA-Schleppern, pflegt deren Geschichte und organisiert Treffen. Er war es dann auch, der mich zum diesjährigen DUTRA-Treffen am 18.09.2011 in Szigethalom unweit von Budapest eingeladen hatte. Nun ja, das lag zwar nicht gerade „um die Ecke“, aber es war eine gute Gelegenheit einmal das Land der „DUTRA`s“ zu besuchen. Mit einem Freund traf ich mich schließlich einen Tag zuvor in Riesa, von dort ging es dann mit dem Auto über 730 km nach Szigethalom, welches wir gegen 17:30 Uhr erreichten. Gerade als wir unser Hotel betreten wollten, kam auch schon der erste DUTRA 1000 auf der Straße angefahren! Ein Empfang, der hätte nicht schöner sein können! Nach dem „Check in“ im Hotel ging es zu Fuß nur etwa 500 m zur genannten Adresse wo am nächsten Tag das Treffen stattfinden sollte. Kurz vor dem Grundstück kam uns ein graubärtiger Herr entgegen, der uns freudestrahlend im Empfang nahm. Ich weiß bis heute nicht, wie er uns als Schlepperfreunde erkannt hat. Auf dem Gelände hatten sich kurz vor Sonnenuntergang schon drei UE-28 und ein DUTRA 1000 samt Ihren Besitzern eingefunden. Und selbst aus England war ein bekannter DUTRA-Fan samt seinem 70-jährigen Vater angereist, beide natürlich per Flugzeug. Bei einem Lagerfeuer wurden dann eifrig Informationen ausgetauscht, was aufgrund der „Sprachbarriere“ natürlich nicht immer einfach war, aber zum Glück konnte unser Freund Jozsef besser deutsch als wir ungarisch…..!

Die Geschichte des Werkes „Roter Stern“ geht auf den österreichisch-ungarischen Traktorenhersteller HSCS Hofherr Schrantz-Clayton Shuttleworth AG zurück, die 1911 durch eine Fusion der Hofherr-Schrantz AG Wien mit dem britischen Traktorenhersteller Clayton & Shuttleworth, entstand. Neben der Niederlassung in Wien eröffnete der Hersteller auch weitere, unter anderem eine im ungarischen Pest. Dort wurde eine breite Palette an Glühkopftraktoren und Raupenschleppern gefertigt. Nachdem im Jahre 1938 die Heinrich Lanz AG die Aktienmehrheit von HSCS übernommen hatte, wurde der Betrieb 1948 verstaatlicht und unter dem Namen Traktorenfabrik Hofherr Vörös Csillag Traktorgyár (Traktorenfabrik Roter Stern) weitergeführt. Bis Ende 1956 wurden hier noch Glühkopftraktoren hergestellt. Mitte der 1950er Jahre begann das Werk unter Leitung des Ingenieurs János Korbuly vor allem allradgetriebene Traktoren zu entwickeln, da diese auf den überwiegend im Land zu findenden Löss- und Sandböden über eine deutlich bessere Traktionsleistung als nur hinterradgetriebene Modelle verfügen. Der erste Schlepper dieser neuen Reihe mit zusätzlich angetriebener Vorderachse wurde unter der Bezeichnung UE-28 im Jahre 1959 auf der 63. Ungarischen Landwirtschaftausstellung in Budapest dem Fachpublikum präsentiert. Der 2-Zylinder-Csepel-Motor DT-231C gab 28 PS bei 1650 U/min ab. Das Getriebe besaß 6  Vorwärts- und 2 Rückwärtsgänge, was Vorwärts Geschwindigkeiten von 3,5 bis 18,3 km/h ergab. Mit dem zusätzlichen Kriechgang ließ sich die Geschwindigkeit zudem bis auf 1,15 km/h reduzieren. Zur Ausrüstung des UE-28 gehörten eine Zapfwelle sowie die Hydraulikanlage mit Kraftheber. Der UE-28 bewährte sich gut und wurde in der Folgezeit weiterentwickelt. Neben Varianten mit mehr erhöhter Leistung wie den Typen UE-35 und UE-50 mit 35 bzw. 50 PS wurden auch Sondervarianten wie die UA-28 und UC-28, beide mit gefederter Vorderachse und größeren Felgen auf der Hinterachse, der UB 28 mit verstellbarer Spur, sowie die Baumschulversion UH-40 gefertigt. Auf Grund seines niedrigen Schwerpunktes kam die Standardversion zudem sehr gern für Arbeiten in Hanglagen zum Einsatz.

Parallel zu den Traktoren konstruierte und fertigte das Werk zudem auch Dumper, was letztlich zum Markenname „DUTRA“ (Dumper und Traktor) führte. Aber auch die Entwicklung von Raupen wie die DL-60 soll hier nicht unerwähnt bleiben. Die stetige Weiterbetwicklung der Traktoren unter Federführung des bekannten Konstrukteurs Alfred Papa führte schließlich zum D4K 70. Bei diesem Typ handelte es sich um den ersten Prototypschlepper mit einer Höchstleistung von 70 PS, die der 4 Zylinder-Dieselmotor vom Typ WD 413 bereitstellte. Das Getriebe war wieder als Zweigruppengetriebe mit 3 Vorwärtsgängen und 1 Rückwärtsgang ausgelegt, optional waren auch 2 zusätzliche Kriechgänge erhältlich. Optisch fiel der Schlepper durch die Verwendung von 4 gleich großen Rädern auf. Die Erfahrungen mit dem D4K 70 mündeten schließlich in der Fertigung des D4K. Er besaß jetzt allerdings einen freitragend vor der Vorderachse am Rahmen montierten 4 Zylinder-Dieselmotor vom Typ DT-414/5, der laut Hersteller 65 PS bei 1650 U/min leistete. Diese Anordnung verlieh dem Traktor etwas mehr Kopflastigkeit für Arbeiten mit schweren Anbaugeräten, als Nachteil wurde jedoch das Aufschaukeln bei Unebenheiten empfunden. Bedingt durch diese Anordnung konnte nun aber auch der Motor viel einfacher, und ohne Demontage der Vorderachse, ausgebaut werden. Das Getriebe des D4K war ebenfalls wieder als 2-Gruppengetriebe mit 3 Vorwärtsgängen, 1 Rückwärtsgang sowie einem Kriechgang konzipiert. Der Fahrbereich reichte in Vorwärtsfahrt jedoch von 1,14 bis 21,55 km/h. Ähnlich wie beim UE-28  war auch hier der Vorderradantrieb abschaltbar, die beiden Antriebsachsen waren durch eine links zwischen den Achsen angeordnete Gelenkwelle verbunden.

Nach dem Test eines D4K bei der Zentralen Prüfstelle für Landtechnik Potsdam-Bornim im Jahr 1962 wurde dieser Typ auch in die DDR importiert und dort vor allem in der Bodenbearbeitung eingesetzt. Ab 1964 fertigte das Traktorenwerk dann die weiterentwickelte Version D4K-B. Er besaß nun den 6-Zylinder-Dieselmotor Csepel D 613.15, der 90 PS bei 1850/min abgab. Konstruktiv ging der Hersteller bei diesem Typ auch von der bisherigen Blockbauweise auf die Halbrahmenbauweise über. Der Halbrahmen war am Kupplungstunnel angeschraubt und nahm die vordere Motoraufhängung und den Kühler auf. Das Getriebe bot wie üblich 2 Gruppen mit Straßen- und Geländegang sowie 3 Vorwärtsgänge und 1 Rückwärtsgang. Der Geschwindigkeitsbereich reichte nun von 4,2 bis 24,2 km/h. Einige Schlepper wurden zudem mit einem zusätzlich schaltbaren Kriechgang ausgeliefert. Nachdem schon einige D4K in die DDR importiert worden waren, wurde auch der D4K-B in Bornim geprüft und kam danach in der Landwirtschaft der DDR zum Einsatz. Zwar war er mit der nach hinten offenen Fahrerkabine nicht gerade komfortabel, aber als Allradschlepper mit fast 100 PS konnte er auch zur Bodenbearbeitung unter schwierigen Bedingungen eingesetzt werden. Auch nach England und Österreich wurde dieser Typ exportiert, dann jedoch mit Perkins- bzw. Steyr-Motoren versehen.

Ab 1970 wurde als Nachfolgetyp der DUTRA 1000 gefertigt, er entsprach im Wesentlichen dem D4K-B, wurde jedoch in einigen Details überarbeitet. So hatte dieser Typ endlich eine Sicherheitskabine mit Seitentüren und die bisherige Druckluftbremsanlage wurde durch eine  luftdruckgesteuerte Hydraulikbremse ersetzt. Der DUTRA 1000 wurde aber auf Grund der angelaufenen Fertigung des ZT 300 und ZT 303 nicht mehr in die DDR importiert. Daher war es ganz interessant diesen Typ auch einmal live erleben zu können, womit wir wieder beim Treffen in Szigethalom wären. Nach Fachsimpeln am Lagerfeuer mit Bacon und Weisbrod zogen wir uns schließlich völlig übermüdet ins Hotel zurück. Am Morgen des neuen Tages waren wir pünktlich um 9:00 Uhr zur Eröffnung auf dem Platz. Dort hatten sich mittlerweile ein D4K, fünf DUTRA 1000, acht UE-28 und ein UE-35 eingefunden. Die weiteste Anreise legte dabei ein UE-28 mit knapp 120 km per Achse zurück! Neben den „einheimischen“ Typen wurden aber auch zwei Exportschlepper aus Russland in Form eines Belarus MTS-82.1 und T-25 „Vladimir“ gezeigt, denen auch ich einige Aufmerksamkeit schenkte. Nach der offiziellen Eröffnung konnten alle Schlepper ausgiebig begutachtet werden. Gegen 10:00 Uhr rückte dann ein Großteil der Schlepper zu einem etwa 4 km entfernt gelegenen Acker ab um sich dort bei einem Schaupflügen zu präsentieren. Hier konnte der interessierte Besucher dann den Klang der 2- und 6-Zylinder-Csepel-Motoren in vollen Zügen genießen. Und weil für einen DUTRA-Fan die Geschichte dieser Schlepper eng mit der des Motorenherstellers „Csepel“ verbunden war, hatte sich der Veranstalter auch noch 2 Überraschungen zu diesem Thema ausgedacht. Gegen 12:00 tauchte auf einmal ein IKARUS 630 (Baujahr 1963), natürlich mit Original-Motor Csepel 614 auf, und brachte einige der Besucher zu einer unweit gelegen Fähre. Das Besondere hierbei war, dass das Fährschiff „REZET“, welches auf der Donau die kleinen Orte Tökol und Óváros verbindet, ebenfalls noch von je zwei originalen 6 Zylinder-Csepel-Motoren angetrieben wurde, welche nach der Überfahrt am anderen Ufer voller Stolz präsentiert wurden. Nach dem erneuten Übersetzten und dem nochmaligem Genuß einer IKARUS-Fahrt kehrten wir und auch die Schlepper zum Ausstellungsplatz zurück. Hier stand jetzt noch ein Traktorpulling auf dem Programm. Anders wie in Deutschland gab es hier jedoch keinen Bremsschlitten. Hier trug ein Fendt 936 Vario am Frontgewicht eine Umlenkrolle, durch die ein Stahlseil geführt  war, an dessen Enden je ein Schlepper angehangen wurde. Auf Kommando begannen dann beide Schlepper zu ziehen, so lange bis ein Kontrahent quasi „in die Knie“ ging. Nachdem hier die Sieger in jeder Klasse ermittelt waren, lud der Veranstalter noch in einer nahen Gastwirtschaft zu einer zünftigen Gulaschsuppe, frisch aus dem Kessel, ein. Nach dem Verzehr wurde dann noch mittels Beamer die Geschichte des Werkes „Roter Stern“ von einem ehemaligen Mitarbeiter geschildert. Leider konnten wir hier nur den Bildern und weniger den Ausführungen folgen. Einige Details schilderte uns dann aber auf Nachfrage auch noch unser „persönlicher“ Dolmetscher Joszef. Neben der Pulling-Siegerehrung wurden wir dann auch noch mit einer Ehrenurkunde für die ersten deutschen Besucher dieses ungarischen DUTRA-Events geehrt. So ließen wir den Tag dann ausklingen und fielen später völlig ko ins Bett. Am nächsten Morgen traten wir dann die Rückreise nach Deutschland an. Was bleibt ist die Erinnerung an den einzigartigen Klang des Csepel-Motors, viele Fotos und einige neu gewonnene Freundschaften. Und sicher war das nicht der letzte Besuch in Ungarn, oder sehen wir uns mal in Markkleeberg Joszef….?

 


Hier präsentieren sich zwei UE-28. Während im linken Schlepper noch der originale 2-Zylinder-Csepel-Motor verbaut war, wurde der rechte schon vor längerer Zeit einmal auf das 3 Zylinder-Aggregat Z 3001 von ZETOR (CSSR) mit 35 PS umgebaut.


Besonders viel Aufmerksamkeit zog dieser sehr schön restaurierte D4K auf sich. Bei diesem Exemplar handelt es sich zudem um ein sehr frühes Baujahr, was sich an der fehlenden Vorderachsbremse erkennen ließ.


Hier posieren gleich 2 in alter Manier belassene DUTRA 1000 um die Gunst der Besucher. Kaum waren die 6 Zylinder verstummt bildete sich auch schnell eine kleine Menschentraube um die Schlepper.


Auf den ersten Blick könnte man diesen DUTRA 1000 für ein „facegeliftetes“ Versuchsmuster halten. Doch sein Besitzer klärte uns auf: Da der Schlepper bei Ihm noch in täglichem Brot steht, hat er ihn mit zahlreichen Verbesserungen versehen, was die tägliche Arbeit mit ihm etwas erträglicher macht.


Beim Schaupflügen konnten dann endlich alle Schlepper ihre Csepel-Motoren so richtig dröhnen lassen. Während vorn der UE-28 mit seinem 2-Schaarpflug gleich das Furchenende erreicht, hat der UE-28 im Hintergrund mit seinem 2-Schaar-Wendepflug schon in die Gegenrichtung gewendet.


Besonders eindrucksvoll war natürlich der Klang der 6-Zylinder. Geradezug spielerisch zogen die DUTRA 1000 mit Ihren Pflügen hier über den Acker.

 

 

Jan Welkerling, Nürnberg (www.DDR-Landmaschinen.de)

 

Diesen Artikel hatte ich seinerzeit exklusiv für die Zeitschrift "Schlepperpost" geschrieben.
Er wurde in der Ausgabe 2/2012 (März/April) abgedruckt.
 

Ergänzungen Bitte per Mail an

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